Hintergrund

Deutsches Ehepaar von der Kirche Jesu Christi hilft bei Wiederaufbau nach Wirbelsturm

Matthias und Petra Leben waren gerade ein paar Tage als Missionare der Wohlfahrtsabteilung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Vanuatu, da machte der Wirbelsturm Pam die abgelegene Inselgruppe dem Erdboden gleich.

Vanuatu liegt über 1.500 Kilometer östlich des berühmten Great Barrier Reefs in Australien. Seit der Wirbelsturm, der zu den stärksten zählt, die je verzeichnet wurden, das Land heimgesucht hat, sind 16 Monate vergangen. 9.500 Häuser wurden zerstört oder schwer beschädigt. In den am schlimmsten betroffenen Gebieten sind 90 Prozent aller Gebäude verschwunden.

Zum Glück kamen nicht mehr als 24 Menschen um, 3.500 wurden obdachlos.

Sister Leben, eine pensionierte Lehrerin, und Elder Leben, Kinderarzt im Ruhestand, hatten bei ihrer Ankunft in Vanuatu vor, wichtige Aufgaben zu erfüllen - wenn auch ganz andere als in ihrer Berufslaufbahn.

Wie anders es werden sollte, hätten sie sich jedoch nicht träumen lassen.

Als Wohlfahrtsmissionar der Kirche im Pazifikraum arbeitet man normalerweise für LDS Charities. Man beschafft Rollstühle für Gehbehinderte, schult Fachärzte in der Wiederbelebung von Neugeborenen und anderen dringenden gesundheitlichen Fragen, versorgt Sehbehinderte mit Brillen, zeigt den Inselbewohnern, wie man Diabetes vorbeugt, und bringt Trinkwasser in abgeschiedene Dörfer. Alles Aufgaben, für die das Ehepaar Leben bestens geeignet ist.

Unmittelbar nach dem Wirbelsturm Pam waren Mitglieder der Kirche Jesu Christi aus dem gesamten Pazifikraum unter den Ersten, die Katastrophenhilfe leisteten - mit Lebensmitteln, Wasser, Notunterkünften, medizinischer Hilfe und dringend benötigten Hygieneprodukten. Dr. Leben half vorübergehend als Arzt im Krankenhaus auf der Insel Tanna aus.

Als die ersten Hilfsmaßnahmen ausliefen, bildete die Kirche eine Arbeitsgruppe, um einen Wiederaufbauplan zu entwickeln.

"Unsere Aufgabe war die Wasserversorgung, andere kümmerten sich um Unterkünfte, Saatgut und Lebensmittel", so Elder Leben. "Nach ein paar Monaten wurde die Mannschaft kleiner, und es blieben die Unterkünfte übrig."

"Der Wirbelsturm Pam brach vier Tage nach unserer Ankunft über Vanuatu herein", berichtet Sister Leben. "Bei einem ausgedehnten Rundgang am nächsten Tag waren wir von den Schäden an der Natur und an den Häusern erschüttert. Noch mehr beeindruckte uns aber die Einstellung der Menschen. Sie machten sich unverzüglich an die Reparatur ihrer Behausungen. In diesem Augenblick waren wir uns sicher, dass wir zu einem bestimmten Zweck hier waren", sagt sie.

Die Lebens waren von Deutschland nach Vanuatu gekommen, um den Ni-Vanuatu gute Dienste zu erweisen, und irgendwer musste sich der Unterkünfte annehmen.

"Uns hat niemand gefragt, wir sind da mehr so hineingewachsen", erklärt Sister Leben.

Beim ersten Gruppentreffen mit den Vertretern anderer Organisationen, in dem es um die Unterkünfte ging, wollte man von Elder und Sister Leben wissen, was für Pläne sie hatten.

"Wir sagten, wir bereiten uns auf den Wiederaufbau von rund 500 Privathäusern vor", berichtet Elder Leben. "'Wie viele?', war die ungläubige Reaktion. Die dachten wahrscheinlich, wir sind verrückt. Zwei blutige Anfänger aus Deutschland, die vom Hausbau keine Ahnung hatten."

Von da an mussten der Arzt und die Lehrerin eine Menge lernen, wie sie selbst sagen. Aber sie gingen voller Glauben voran.

"Es ist schwierig, in Vanuatu etwas auf die Beine zu stellen. Die Telefonverbindung ist oft unzuverlässig. Alles dauert eine Ewigkeit. Man braucht große Entschlusskraft und viele Segnungen", stellt Elder Leben fest.

"Der Herr hat uns geholfen, die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu treffen. Mitunter begegnen sie uns zufällig auf der Straße. Mal läuft etwas besser, als man es jemals erwartet hätte, aber die Hand des Herrn ist auch dann sichtbar, wenn es mal nicht ganz so glatt läuft."

Monate brachten die Lebens damit zu, in Dörfern auf Efate und Tanna Beschädigungen an Häusern zu bewerten, um feststellen zu können, welche Häuser vollständig ersetzt und welche nur repariert werden müssten. Dabei mussten sie sich auch bei den Dorfoberhäuptern anmelden und mit ihnen das Vorgehen abstimmen.

In Vanuatu hat die Kirche annähernd 8.000 Mitglieder, aber die Religionszugehörigkeit war bei der Auswahl nicht ausschlaggebend. Mehr als die Hälfte der Hilfeempänger gehören nicht der Kirche an.

Noch mehr Monate kostete es, von den Behörden Genehmigungen einzuholen, Baurichtlinien aufzustellen, Baumaterial zu beschaffen und genügend qualifizierte Helfer für die Betreuung des Bauprojekts zu finden.

Diesem Mangel begegnete die Kirche mit dreiwöchigen Kursen in ihren Gemeindehäusern in Port Vila und auf Tanna, die von Jimmy Tom, dem Rektor des ländlichen Ausbildungszentrums Lume auf Tanna, geleitet wurden.

50 Männer haben die Kurse besucht, und zwar nicht nur Mitglieder der Kirche, sondern auch andere Interessierte, darunter zwei Dorfoberhäupter.

Wer den Kurs abschloss, bekam vom Ausbildungsamt von Vanuatu eine Bestätigung und von LDS Charities die Werkzeuge, die er für den Hausbau braucht.

Da sich das Leben in Vanuatu bei Tage im Wesentlichen im Freien abspielt, besteht der typische Wohnplatz einer Familie aus mehreren Gebäuden: Das eigentliche Haus ist der Schlafraum der Familie, in dem auch die wenigen Habseligkeiten aufbewahrt werden. Außerdem gibt es einen abgetrennten überdachten Kochbereich, oft eine überdachte Veranda und ein separates Toilettenhäuschen, das "small house".

Früher bauten die Menschen ihre Häuser aus Materialien, die sie im Busch fanden: Sorgfältig ausgewählte Äste und Zweige mit Bambusgeflecht als Außenwand, das Dach kunstvoll aus Palmblättern geknüpft. Auf Tanna herrscht die traditionelle Bauweise noch vor – auf Efate ist sie nach und nach einer "modernen" Bauweise gewichen, mit geraden Balken und Latten und einem Wellblechdach. Viele dieser Häuser waren viele nicht darauf ausgelegt, einem Wirbelsturm standzuhalten.

Gemäß den Leitlinien der Wohlfahrtsabteilung der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage sind die Empfänger der Hilfeleistungen dazu angehalten, beim Wiederaufbau ihrer Häuser selbst mit Hand anzulegen. Sie erhalten nicht alles, was sie für den Abschluss der Bauarbeiten brauchen, denn es sollen Eigenständigkeit und Hilfe zur Selbsthilfe gefördert werden.

Im Wesentlichen bekommt man das Material, das für die Sicherheit eines Hauses erfoderlich ist: Zement, um die Pfosten im Boden zu verankern, Bauholz, Befestigungsmaterial und Nägel für die Wandkonstruktion sowie Wellblech für das Dach, außerdem Hilfestellung dabei, wie man ein Haus so baut, dass es den Anforderungen an die Sicherheit vor Wirbelstürmen genügt.

Für Fußboden, Wandabdeckung, Türen und Fenster muss jede Familie selbst sorgen.

Die von Elder und Sister Leben eingeleiteten Baumaßnahmen gewinnen nun nach und nach an Schwung. Gegenwärtig ist der Bau von 150 Häusern auf Efate und ebensovielen auf Tanna genehmigt worden. Das Geld kommt aus dem humanitären Spendenfonds der Kirche. 45 Häuser wurden bereits fertiggestellt, 30 weitere sind unterschiedlich weit fortgeschritten.

Für weitere 350 Häuser werden die Mittel vermutlich schon bald freigegeben, so Hans T. Sorensen, der Wohlfahrtsleiter der Kirche im Gebiet Pazifik.

Der Entwurf von LDS Charities sieht den Bau oder die Reparatur von insgesamt 900 Häusern in drei Bauphasen vor. Das sind an die zehn Prozent der zerstörten oder schwer beschädigten Häuser. Diese liegen hauptsächlich in und um die Hauptstadt Port Vila, auf der Insel Efate, und auf der Insel Tanna, wo die schlimmsten Schäden zu verzeichnen waren.

"Wir mussten eine Menge lernen, und dennoch hat sich das Wiederaufbauprojekt Schritt für Schritt zu seiner jetzigen Gestalt und Größe weiterentwickelt", stellt Sister Leben fest.

Vor kurzem sind Joe und Lillian DeLong in Tanna eingetroffen, ein erfahrenes Missionarsehepaar aus Ogden in Utah. Sie können nun auf dem aufbauen, was die Lebens in Gang gesetzt haben. Nach dem Wirbelsturm Ian haben sie 2014 bereits in Tonga ein vergleichbares Wiederaufbau- und Reparaturprojekt der Kirche geleitet.

Wenn das Ehepaar Leben in zwei Monaten nach Hannover zurückkehrt, wird so manches Haus in Vanuatu schon wieder aufgebaut oder repariert sein und alles wieder seinen gewohnten Lauf nehmen. Die Lebens hinterlassen dann die stabile Grundlage eines beeindruckenden Projekts, das auf dem besten Wege ist, das Leben so mancher Ni-Vanuatu in materieller und geistiger Hinsicht zu verbessern.

"Eigentlich wollten wir das Projekt selbst zum Abschluss bringen, aber es hat sehr lange gedauert, bis wir genug wussten und alles vorbereitet hatten, um schließlich die Genehmigung zu erhalten", erklärt Elder Leben. "Jetzt läuft es allmählich, aber auch die Zeit läuft".

"Wir sind froh", ergänzt Sister Leben, "dass wir zumindest einen Anfang machen konnten und nun erkennen, dass die geleistete Hilfe für viele ein großer Segen ist. Wir freuen uns, dass ein anderes Missionarsehepaar die Arbeit fortsetzen wird."

Die Lebens leiten aber nicht nur die Hausbaumaßnahmen der LDS Charities in Vanuatu. Sie tragen auch gern dazu bei, die dortigen Mitglieder der Kirche aufzurichten und zu stärken, und treten in der Öffentlichkeit als Botschafter des guten Willens auf.

Sie haben neue Mitglieder betreut, sich als Fahrer betätigt, wenn es nötig war, ehrenamtlich im Krankenhaus Lenakel mitgearbeitet, ein Rollstuhlprojekt geleitet und Englisch unterrichtet. All diese Aufgaben und auch die Bemühungen um den Wiederaufbau sind ihnen leichter gefallen, als sie Bislama gelernt hatten, die am weitesten verbreitete Sprache in Vanuatu.

Über ihr herzliches Verhältnis zu den Ni-Vanuatu sagt Elder Leben: "Die Ni-Vanuatu denken anders. Sie betrachten alles viel weniger verkrampft und sind jederzeit hilfsbereit. Im Straßenverkehr gibt es weder Ampeln noch Verkehrsschilder, aber der Verkehr läuft trotzdem gut, weil jeder auf den anderen Rücksicht nimmt. Alle sind fröhlich und man hört sie oft lachen. Man kann viel von ihnen lernen. Man darf nicht vergessen, dass der Erfolg des Wiederaufbauprojekts auch dem Umstand zu verdanken ist, dass einige hier uns stets geholfen und unterstützt haben.“

"Sie sind durch und durch liebenswert", befindet Sister Leben zum Abschluss. "Die Begegnung mit den Menschen ist das Beste und Lohnendste an unserer Arbeit."

Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.