Kommentar

Kommentare über Ereignisse bezüglich einer Polygamistengruppe in Texas

Kommentar von Gordon B. Hinckley, Präsident der Kirche von 1995-2008

"Ich möchte kategorisch feststellen, dass diese Kirche mit denen, die die Polygamie praktizieren, nichts zu tun hat. Es sind keine Mitglieder der Kirche. Die meisten sind nie Mitglieder gewesen."

Interview mit Quentin L. Cook, Mitglied des Kollegiums der zwölf Apostel

Interviewer:

"Was stört Sie daran, wenn Leute, die polygam leben, als Mormonen bezeichnet werden?"

Elder Cook:

"Zunächst einmal löst so etwas eine Menge Irritationen aus. Kürzlich rief uns eine größere Nachrichtenagentur an, die von uns eine Dreherlaubnis für den Tempel einer Polygamistengruppe haben wollte, mit der wir überhaupt nichts zu tun haben. Ein anderer, hoch angesehener Nachrichtendienst druckte ein Bild eines unserer Tempel – des Salt-Lake-Tempels – ab und daneben einen Bericht über eine Polygamistengruppe. Solche Irritationen sind natürlich nicht in unserem Sinne und sie gestatten es dem Leser auch nicht, Unterschiede zu erfassen. Was für Unterschiede meine ich? Die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage – oft auch als Mormonen bezeichnet – betätigen sich nicht als Polygamisten und haben dies seit über hundert Jahren nicht getan. Den Begriff "Mormonen" in Zusammenhang mit Leuten zu verwenden, die polygam leben, ist nicht nur für die Öffentlichkeit sehr verwirrend, sondern bereitet auch der Kirche große Sorgen, weil unsere Mitglieder keine Polygamisten sind und der Leser diesen wichtigen Unterschied nicht erkennen kann. Wenn man bedenkt, dass die Kirche 13 Millionen Mitglieder hat, nehmen sich die meisten Polygamistengruppen sehr klein aus. Der Unterschied zu ihnen wird nicht klar ersichtlich, und es ist nicht hilfreich, wenn man den Begriff "Mormonen" ins Feld führt. Ich möchte daher an die Medien einen Appell richten. Wir sind ja mit ihnen zusammengekommen, und größtenteils geben sie ihr Bestes. Aber ich möchte doch im Namen der Kirche einen Appell an sie richten, diesen Unterschied klar hervorzuheben und den Begriff "Mormonen" nicht mit Polygamie in Verbindung zu bringen, die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage – die Kirche der Mormonen – also nicht mit Polygamie gleichzusetzen. Das sind zwei ganz verschiedene Dinge, und wenn man darauf verzichten könnte, könnte jeder die Sachlage besser einschätzen, und dafür wären wir dankbar.

Die Kirche hat heute knapp über 13 Millionen Mitglieder, die überall auf der Welt zu Hause sind. Über die Hälfte von ihnen leben außerhalb der Vereinigten Staaten, und die Bekehrten machen eine erkleckliche Anzahl aus – seit 1987 ist die Kirche von etwas mehr als 6 Millionen Mitgliedern auf heute über 13 Millionen angewachsen. Es besteht keinerlei Verbindung zu irgendwelchen Polygamistengruppen. Die [Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage] gehören dort, wo sie leben, zum Durchschnitt der Bevölkerung, und doch erscheinen manchmal – mitunter wohl aus Unkenntnis – in den Medien Berichte, die den Anschein erwecken, als hätten wir etwas mit irgendeiner Polygamistengruppe zu tun, die zur gegebenen Zeit gerade im Brennpunkt des Interesses steht. Beispielsweise erschien gerade erst in einer sehr guten australischen Zeitung ein Artikel, worin es im ersten Absatz hieß: ,Eine Kindheit in einer fundamentalistischen Mormonengemeinschaft bedeutet wenig Bildung, regelmäßig Prügel, zwangsweise Mitarbeit im Haushalt und für Mädchen eine arrangierte Ehe im Teenageralter, die in eine lebenslange Abhängigkeit führt.? Nichts könnte der Wahrheit ferner sein, was die Mitglieder [unserer] Kirche betrifft. Lassen Sie mich drei, vier Punkte anführen, die deutlich machen, was ich meine:
 

  • Zunächst einmal ist das Bildungsniveau der Mitglieder der Kirche sehr hoch. Die Führung der Kirche hat Bildung schon immer gefördert, sodass derzeit etwa 60 Prozent der Mitglieder in den Vereinigten Staaten eine höhere Schulbildung genossen haben, während der Landesdurchschnitt bei etwa 50 Prozent liegt. Die Mitglieder der Kirche sind also relativ gebildet.
     
  • Zweitens finden keine Heiratsabsprachen statt. Die Mitglieder der Kirche finden ihre Partner auf ganz normalem Wege. Sie suchen sie sich selbst aus, und das Durchschnittsalter bei der Eheschließung liegt bei etwa 23 – bei den Männern liegt es etwas höher. In dieser Gruppe werden keine Ehen arrangiert.
     
  • Drittens üben die Mitglieder sämtliche in ihrem Heimatland üblichen Berufe aus. Sie leben nicht abgeschieden vom Großteil der Gesellschaft. Sie sind in keiner Weise isoliert, kleiden sich nicht auf eine bestimmte Weise und tragen auch keine besonderen Frisuren oder etwas in der Art, was sie von der Gesellschaft, in der sie leben, unterscheiden würde. Wenn man also so etwas liest – wo es bei uns doch gar keine Polygamie gibt und die Mitglieder sich gar nicht in so etwas einlassen dürfen, weil sie sonst aus der Kirche ausgeschlossen würden –, dann bereitet das den Mitgliedern der Kirche große Sorgen. Und das ist der Grund, weshalb wir von solchen Berichten Abstand nehmen."

Interview mit Mike Otterson, Pressesprecher der Kirche

Interviewer:

„Auf der ganzen Welt sind hunderte Nachrichtenmeldungen darüber erschienen, was sich vor kurzem in Texas ereignet hat, und in einigen dieser Meldungen werden diejenigen, die die Polygamie betreiben, als Mormonen bezeichnet. Was hält die Kirche von der bisherigen Berichterstattung in den Medien?“

Mike Otterson:

"Wenn man in den Medien oder ganz allgemein in der Öffentlichkeit diese Polygamistengruppen als Mormonen bezeichnet, sind wir immer davon betroffen. Ich muss sagen, dass die Berichterstattung in den letzten Wochen oder vielmehr in der Zeit, seit bekannt wurde, dass gegen diese Polygamisten in Texas eine Razzia durchgeführt wurde, ziemlich gut war.

Vor allem in den Vereinigten Staaten war sie sogar sehr gut. CNN und Associated Press, USA Today und das National Public Radio haben sich alle die größte Mühe gegeben, zwischen den 13 Millionen Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, einer weltweit verbreiteten Religion – viertgrößte Glaubensgemeinschaft in den Vereinigten Staaten – und diesen verschlossenen, kleinen Polygamistengemeinschaften eine Trennlinie zu ziehen.

Ich wünschte nur, auch die breite Öffentlichkeit würde eine derart klare Trennlinie ziehen, denn offen gestanden löst das Thema immer noch Irritationen aus, obwohl die Kirche, unsere Kirche, die Polygamie schon vor gut über hundert Jahren abgeschafft hat. 1890 bereits hat die Kirche die Polygamie offiziell abgeschafft, und wenn ein Mitglied sie heute praktizieren wollte, würde es ausgeschlossen. So etwas wird nicht geduldet. Aber wenn man in der Öffentlichkeit an die Mormonen denkt, dann stellt man sich einen Missionar vor, der an eine Tür klopft, oder man denkt an den Tabernakelchor oder vielleicht auch an den Mormonentempel auf dem Tempelplatz.

Man hat also ein bestimmtes Bild im Kopf, eine Vorstellung davon, was der Begriff Mormone bedeutet, und wenn die Medien diese Fundamentalistengruppen dann gelegentlich als Mormonen bezeichnen, wenn sie von fundamentalistischen oder polygam lebenden Mormonen sprechen, dann sorgt das in der Öffentlichkeit für gewaltige Irritationen.

Und das irritiert wiederum uns, denn wir haben uns nun wirklich seit Jahren schon sehr bemüht, den Unterschied klar herauszustellen. Hie und da sind bei der ausländischen Presse immer noch Irrtümer im Umlauf. Mir fallen da Meldungen aus Russland und aus Frankreich ein.

Beispielsweise platzierte die französische Nachrichtenagentur AFP ein Foto unseres Tempels neben ihren Bericht über die Razzia gegen die Polygamistengruppen in Texas. So etwas ist eigentlich unverzeihlich. Drei Tage lang mussten wir auf sie einreden, auf das Bild zu verzichten, bis sie schließlich einlenkten und eine Klarstellung veröffentlichten.

Es gibt also immer noch Irritationen, obwohl die meisten Medienvertreter inzwischen Bescheid wissen. Ich glaube, in der Öffentlichkeit fragt man sich immer noch: Seid ihr das nicht? Das sind doch die Mormonen, oder nicht?

Ich möchte darum so unmissverständlich, wie es nur geht, klarstellen, dass die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, die weltweit operierende Organisation, der ich angehöre und die in neunzig Sprachen das Evangelium verkündet, die in fast jedem Land der Welt Mitglieder hat, die die Brigham-Young-Universität unterhält und überall auf der Welt viel humanitäre Hilfe leistet, mit nichts weniger vergleichbar ist als mit diesen kleinen Polygamistengruppen, die verstreut in den Rocky Mountains und bis hinauf nach British Columbia leben.

Wenn die Öffentlichkeit doch nur begriffe, dass wir nicht wie diese Leute aussehen, dass wir uns nicht wie sie kleiden, dass wir Gott nicht auf dieselbe Weise verehren, dass wir nicht dasselbe glauben und dass der Begriff Mormone niemals für diese Polygamistengruppen verwendet werden sollte! Wenn uns das gelänge, wenn wir diese Schlacht gewönnen, dann hätten wir wirklich viel erreicht."

 

Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.