Leitartikel

Immer mehr Missionare in fortgeschrittenem Alter

In den letzten beiden Jahren haben immer mehr Paare in fortgeschrittenem Alter eine Berufung als Vollzeitmissionar der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage angenommen. Nachdem das Alter, ab dem junge Männer und junge Frauen eine Mission antreten dürfen, abgesenkt wurde, steigt nun auch diese Zahl. Der aktuelle Stand diese Woche ist, dass acht Prozent oder 6.609 der 83.471 Missionare auf der Welt dem fortgeschrittenen Alter (ab 40) zuzurechnen sind. Vor der Änderung der Altersgrenze gab es 5.778 Missionare in dieser Gruppe. Nach Angaben der Missionsabteilung beträgt die Zunahme insgesamt 14 Prozent.

Überall in den 406 Missionen der Kirche dienen Ehepaare neben den jungen Missionaren – und das zu einer Zeit in ihrem Leben, in der sie ebenso gut den Hobbys eines Rentners nachgehen und öfter auf dem Golfplatz sein, angeln, reisen oder mit den Enkelkindern zusammensein könnten. Manche Paare absolvieren schließlich sogar mehrere Missionen, weil sie die Möglichkeit, anderen zu dienen, so erfüllend finden.

"Wir wollten schon immer einmal zusammen auf Mission gehen", sagt Elder Stanley Nance. Nance und seine Frau Rosalie kommen aus Bountiful in Utah. Sie haben beide im öffentlichen Dienst gearbeitet, sind inzwischen pensioniert und dienen nun 18 Monate lang als Missionare für Öffentlichkeitsarbeit in der Madagaskar-Mission Antananarivo. Als junger Mann war Elder Nance in Frankreich auf Mission. Für die beiden ist es bereits die dritte Vollzeitmission. Sie waren auch schon in Neuseeland und in der Ukraine.

In Neuseeland bestand ihre Aufgabe darin, in enger Zusammenarbeit mit der Gebietspräsidentschaft und dem Missionspräsidenten Tage der offenen Tür für die neu gebaute Missionarsschule auszurichten. Mehrere tausend Mitglieder dort waren eingeladen. In der Ukraine beteiligten sie sich zusammen mit dem Missionspräsidenten und drei örtlichen Führungsbeamten an der Ausarbeitung und Durchführung von Konferenzen für Jugendliche und junge Erwachsene aus der Ukraine und dem westlichen Russland.

"Wir hatten schon immer das Gefühl, dass wir so bald wie möglich diesen Dienst leisten sollten. Der Herr hat uns eine gewisse Zeit eingeräumt, in der wir noch gesund sind und in der auch unsere Eltern noch einigermaßen gut zurecht sind. Die Kinder sind mehr oder weniger versorgt, die Gemeinde kommt sicherlich eine Weile ohne uns aus, und wenn wir gut haushalten, können wir es uns auch leisten", erklärt Elder Nance.

Im April 2013 sprach Elder Russell M. Nelson vom Kollegium der Zwölf Apostel in seiner Generalkonferenz-Ansprache mit dem Titel "Springen Sie auf die Welle auf" auch über den Missionsdienst im fortgeschrittenen Alter. "Liebe ältere Ehepaare, planen Sie auf den Tag hin, da Sie auf Mission gehen können. Wir werden Ihnen für das, was Sie tun, sehr dankbar sein", erklärte er.

Für die älteren Missionare wurden im Jahr 2011 Änderungen beispielsweise im Hinblick auf die Dauer der Mission (6 bis 23 Monate) oder die Deckelung der Unterkunftskosten (nicht über 1.400 Dollar) bekanntgegeben. Dadurch wurde auch einigen Mitgliedern, die sonst nicht die Mittel dazu gehabt hätten, eine Vollzeitmission ermöglicht.

Vollzeitmissionare in fortgeschrittenem Alter werden vom Präsidenten der Kirche berufen. Sie leisten ihren Dienst ehrenamtlich und auf eigene Kosten, und zwar in der Regel nach ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben.

Eine große Bandbreite an Aufgaben wird von den älteren Ehepaaren und Schwestern übernommen – von der Verkündigung des Evangeliums über den humanitären Dienst und die Bereiche Gesundheit und Ausbildung bis hin zu Führungsaufgaben. In den Missionsbüros der über 400 Missionen weltweit halten diese Missionare den Betrieb am Laufen. Sie übernehmen Sekretariatsarbeiten, kümmern sich um Finanzen, Telefon, Unterbringung und Fuhrpark und fassen bei den wöchentlichen Empfehlungen nach (wenn sich jemand über die Kirche informieren will). Sie können auch für die einzelnen Gemeinden ein großer Gewinn sein, wenn sie sich um die weniger aktiven Mitglieder bemühen oder die örtlichen Führer beraten.

Elder Steve Levesque und seine Frau Robyn aus Bluffdale in Utah verkünden 23 Monate lang in der Oregon-Mission Salem das Evangelium. Letzten Oktober noch waren sie in der Missionarsschule in Provo. Dann wurden sie nach Vernonia in Oregon versetzt. Dort leisten sie nun Dienst am Gemeinwesen und bemühen sich gemeinsam mit dem Zweigpräsidenten (dem Leiter der örtlichen Gemeinde) und dem Missionsleiter darum, die weniger aktiven Mitglieder ausfindig zu machen und Andersgläubige zu informieren.

"Der größte Vorteil einer Mission liegt darin, dass man tatsächlich Tag für Tag dem Herrn dienen kann, ohne dass einem Probleme am Arbeitsplatz oder in der Familie dazwischenkommen", erklärt Sister Levesque.

Missionare im humanitären Dienst helfen überall auf der Welt mit ihren Talenten. Sie kümmern sich um alles, von ärztlicher Versorgung bis hin zur Landwirtschaft. So sind zum Beispiel vor kurzem Ärzte und Krankenschwestern aus den Reihen der Kirche nach Indonesien gereist, um die Mediziner dort in der Wiederbelebung von Neugeborenen zu schulen. Erst letzten August wurde die humanitäre Arbeit der Kirche in Bolivien gewürdigt. Anerkannt wurde dabei auch die Arbeit des Augenarztes Dr. Joel Moya, der sich vor allem in La Paz führend bei der Bekämpfung von Erblindung eingesetzt hat. Mit ihrem Trinkwasserprogramm hat die Kirche unter anderem Ländern wie dem Inselstaat Vanuatu im Pazifik geholfen.

John Hess und seiner Frau Shirley, die in Ashton/Idaho Kartoffeln anbauen, ist es zu verdanken, dass die Kartoffelernte in Weißrussland, das zur Russland-Mission Moskau gehört, von 50 Sack Kartoffeln pro Hektar (ein Hektar entspricht 10.000 Quadratmetern) auf 550 Sack gestiegen ist und damit elf Mal so hoch liegt wie je zuvor in diesem Land. Ab Oktober 1998 waren Hess und seine Frau 18 Monate in Weißrussland, um den Bauern dort zu helfen. "Es war eines der schönsten Erlebnisse meines Lebens", berichtet John Hess. "Ich war dankbar, dass ich eine Mission erfüllt habe, und bin dankbar, dass ich meine Frau mitgenommen habe und dass auch sie eine Mission erfüllt hat." Als junger Mann war Hess in Kalifornien auf Mission gewesen.

Wie Hess sagt, standen den Bauern in Weißrussland zwar Pestizide und modernes Arbeitsgerät zur Verfügung, aber ihnen fehlte etwas Anleitung, wie sie ihre Anbaumethoden verfeinern konnten. "Da gibt es den besten Boden, den ich je gesehen habe – einen fruchtbaren, organisch gewachsenen Boden. Ich musste gar nichts mitbringen, man konnte alles auch dort besorgen. Ich musste lediglich aufzeigen, dass [die Kartoffel] eine sehr empfindliche Pflanze ist."

"Die Leute dort haben uns sehr aufgebaut, und wir haben hoffentlich auch sie aufgebaut", meint Shirley Hess. "Ich hatte sie richtig lieb. Sie waren sehr nett und großzügig. Die Mitglieder der Gemeinde waren etwas ganz Besonderes. Man musste sie einfach lieb haben."

Die Missionare im fortgeschrittenen Alter haben fern der Heimat etwas mehr Spielraum als die jungen Missionare und Missionarinnen. "Wenn wir müde sind, können wir uns ausruhen. Wenn wir wissen wollen, was bei den Kindern zu Hause los ist, können wir sie über Skype erreichen", erklärt Elder Nance. Die älteren Missionare können im Notfall oder zu besonderen Anlässen nach Hause fahren, dann aber auf eigene Kosten.

Für Elder Levesque und seine Frau ist es die erste Vollzeitmission nach einer dreijährigen Tätigkeit im Genesungsprogramm für Suchtkranke in Utah. Elder Levesque ging mit 19 Jahren für zwei Jahre auf Mission in den Mittleren Westen der Vereinigten Staaten.

"Das Schwierigste war bis jetzt, dass wir lernen mussten, zusammenzuarbeiten", räumt Sister Levesque ein. Sie ist mit ihrem Mann seit 42 Jahren verheiratet. "Es ist das Beste, was wir je zusammen gemacht haben", sagt sie weiter. Die Levesques haben sechs Kinder, die schon verheiratet sind, und 21 Enkelkinder. Eines der größten Opfer sei es gewesen, so Sister Levesque, ihre Enkel zurückzulassen. Der älteste Enkel ist derzeit auf Mission in Florida.

Mary Lee Burton und ihr Mann Lloyd waren gerade in der Missionarsschule, als ihr erster Enkel sich auf seine Mission vorbereitete. "Wir konnten mit ihm essen gehen. Das war sehr schön", findet Schwester Burton.

Nach vier Missionen ist das Ehepaar Burton nun wieder daheim in Utah. Ihre Missionen führten sie unter anderem in die historische Stadt Nauvoo und in die Kalifornien-Mission San Diego. Dort waren sie an der Gedenkstätte für das Mormonenbataillon eingesetzt und kümmerten sich um frisch getaufte Soldaten am Grundausbildungslager der Marineinfanterie. In Illinois erfüllten sie eine Mission im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, als der Nauvoo-Illinois-Tempel fertiggestellt wurde, und sie wirkten am Unterhaltungsprogramm für Besucher der Kulturhalle von Nauvoo mit. "Lloyd spielte Mandoline und ich Geige", erzählt Schwester Burton. "Diese Mission hat uns viel Spaß gemacht."

Das Ehepaar Burton durfte außerdem in Vollzeit in der Mississippi-Mission Jackson das Evangelium verkünden und erläutern. Dann kehrte es nach Utah zurück und übernahm für drei Jahre eine Aufgabe in der Präsidentschaft des Vernal-Utah-Tempels. Die letzte Berufung führte sie in die Virginia-Mission Richmond, wo sie im Missionsbüro arbeiteten. "Diese Mission hat uns mehr erschöpft als die anderen. Aber wenn der Herr uns noch einmal berufen sollte, gehen wir wieder", sagt Schwester Burton.

Elder Clair Hopkins und seine Frau Julia dienen seit letzten August im Manhattan-New-York-Tempel. Dort arbeiten sie fünf Tage die Woche je sieben Stunden lang. "Wir sind Verordnungsarbeiter und außerdem für die Wäscherei zuständig (im Tempel wird besondere, weiße Kleidung getragen)", erläutert Sister Hopkins, die mit ihrem Mann ein Apartment in einem Wohnblock nahe des Tempels und des Lincoln Centers in Manhattan bewohnt.

Anfangs war das Ehepaar Hopkins nur für sechs Monate in New York auf Mission, doch dann haben die beiden um weitere sechs Monate verlängert. "Es geht so schnell vorbei, und wir haben viel Freude daran", sagt Sister Hopkins. "Im Moment denken wir noch nicht an eine weitere Mission, aber ich weiß jetzt schon, dass uns das alles hier fehlen wird."

Für Sister Hopkins gehört es zu den Höhepunkten ihrer Mission, dass ihre Kinder sie in New York besuchen dürfen. "Wir haben Glück, dass vier von unseren Kindern es schon geschafft haben. Es ist wirklich schön, wenn sie hier sind und wir sie herumführen können."

In den Jahren 2005 und 2006 erfüllte das Ehepaar Hopkins im englischen Manchester eine Mission für das Bildungswesen der Kirche (CES). Dort gaben sie nicht nur Unterricht im Institut, sondern halfen auch bei Tanzveranstaltungen für junge Erwachsene.

Trotz aller Opfer und vieler Mühen finden die Missionare im fortgeschrittenen Alter ihre Arbeit sehr lohnend.

"Wir möchten nicht den Eindruck erwecken, als laufe alles immer völlig reibungslos", erklärt Elder Nance. "Ab und zu fällt es einem schwer und man erlebt Enttäuschungen. Manchmal verliert man auch den Mut. Wir wissen aber, dass alles, was geschieht, uns nur stärken wird und unserem Fortschritt dient."

"Wir durften in mehreren Ländern mit ganz außergewöhnlichen Mitgliedern der Kirche zusammenleben und zusammenarbeiten und haben Freunde für die Ewigkeit gewonnen", ergänzt Sister Nance.

"Nach vier Missionen haben wir buchstäblich hunderte neue Freunde, die wir ohne unsere Missionen nie gefunden hätten", meint Schwester Burton. "Wir haben unsere Missionen nie als Opfer empfunden."

Welche Einsatzmöglichkeiten bestehen und mit welchen Kosten Missionare im fortgeschrittenen Alter zu rechnen haben, ist einem wöchentlich erscheinenden Informationsblatt zu entnehmen (Senior Missionary Opportunities Bulletin). Die Kirche veröffentlicht freie Stellen für Missionare auch auf der Facebook-Seite für Missionare im Kirchendienst.

Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.